Rendezvous mit Uwe Kröger

Wenn sich irgendein weiblicher Teenager in Österreich ein Treffen mit irgendeinem Star wünschen dürfte, fiele die Wahl mit hoher Warscheinlichkeit auf ihn. Tanja Amann traf den Mädchenschwarm und Musicalstar Uwe Kröger.

Wienerin, Mai 1994

Da sitz' ich also. Und warte auf den Mann, den jedes Mädchen treffen möchte. So einer mit Löwenmähne, Strahler-80-Lächeln und tiefseeblauen Augen. Nun ja.

In schwarzem Leder, mit ernstem Blick und zusammengebundenen Haaren steht er dann vor mir. Vom "Tod", den er auf der Bühne des Theaters an der Wien verkörpert, hat er nichts an sich. Dazu ist sein Blick zu lebendig und sein "Hallo, wie geht's" zu freundlich.

Das ist heute. Mit 18 wollte er sich das Leben nehmen. Zur Zeit des Zivildienstes, in der Jugendpsychiatrie. Uwe: "Wie in einem Spiegel habe ich durch die Arbeit meine eigenen Probleme gesehen. Ich dachte, das halt' ich nicht aus." Rettung in letzter Sekunde. Und Weisheit fürs restliche Leben. "Ich habe festgestellt, daß jeder Mensch seinen Sinn hat. Jeder hat sein Ding, das er tun muß."

Etwas, wofür man dann auch belohnt oder eben bestraft wird. Uwe: "Ich war eine Zeitlang Buddhist. Für mich ist es logisch, daß alles, was man tut, wieder zurückkommt." Jetzt ist Zeit zum Wiedergutmachen. "Ich hasse Ungerechtigkeit und Brutalität. Warscheinlich war ich in einem anderen Leben ein schlechter Mensch."

Seine Augen blitzen bei soviel seelischem Tiefgang. Und sein Joker im jetzigen Dasein ist zweifellos die künstlerische Begabung. "Ich gebe immer hundert Prozent. Erst wenn ich merke, ja, so ist's gut, bin ich zufrieden. Dann stimmt's auch fürs Publikum." Und für den Buddha.

Der Clubtoast auf seinem Teller findet wenig Beachtung. Als wäre jedes Gänseblümchen sein persönlicher Freudenspender gewesen, schwelgt "Sandwichkind" Uwe (aufgewachsen zwischen einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder) in Erinnerungen an seine Jugend auf dem kleinen elterlichen Bauernhof im Ruhrgebiet. Truthähne, Schweine, Gänse, die väterliche Rauhhaardackelzucht und die Hennen mit ihrem Hahn lassen mich die solide Kaffeehausatmosphäre vergessen. "Wir hatten eine riesige Koppel hinterm Haus. Unheimlich viel Grün. Ich hatte zwar kein Lieblingstier, aber der Hahn ließ sich nur von mir füttern." Und die Hunde schliefen in seinem Bett. Wie romantisch.

Klar doch, daß bei soviel Natur ein Rebell entstand. Gegen Atomkraftwerke, Ungerechtigkeit, Drogen und sonst allerlei. Uwe hat in der Band Saitensprung gesungen. "Protestsongs." Bis er merkte, daß das Beweihräucherung der eigenen Persönlichkeit war. "Da singt man sich die Seele aus dem Leib. Und eigentlich hört keiner zu." Ernüchternd nicht nur diese Erkenntnis. Angesichts der zugedröhnten Bandmitglieder zweifelte er an deren politischem Engagement. "Kein Dialog. Ich habe mich schon gefragt, krieg' ich da was nicht mit?"

Mit seiner obligaten Hundertprozentigkeit beendete er das Ganze. Frei für Neues. Und seine Ballettlehrerin war es, die ihm den Kick zur Veränderung gab. Sie meldete ihn heimlich an der Berliner Schauspielschule an. Unter 600 Bewerbern gehörte er zu den Auserwählten. Es folgten zwei Jahre Ausbildung.

Laut Buddha ist es ja logisch: wer Gutes aussendet, auf den kommt wieder Gutes zurück. Uwe Kröger landete somit auf der Butterseite des Lebens.

Die Jugendpsychiatrie als zukunftssicherndes Hintertürl hatte Uwe "aus Selbstschutz" immer noch im Kopf. "Ich dachte, egal was für Erfahrungen ich mache, ich kann jederzeit zurückgehen." Irgendwie klingt das neu. Hört man doch sonst meist von denen, die schon in Kinderschuhen ausziehen, um die Bühnenwelt zu erobern.

Keine Frage, Uwe ist mittlerweile--und bestimmt nicht wider Willen--ein Star. "Ich sag', das ist kein Beruf, sondern ein Zustand." Punktum. Und doch: "Ich nütze es voll aus. Weil halbe Sachen mach' ich nicht."

Wieder dieses "Alles oder nichts". Nur der Clubtoast liegt noch zu zirka 100 Prozent auf dem Teller.

Der liebe, lächelnde Uwe, für den die meisten ihn halten, sei er nicht, sagt er. "Wenn ich ein Mädchen von der Tür meiner Garderobe wegschieben muß, könnt' ich ihr eine donnern." Zarte Hülle, harter Kern? "Da mußt du unterscheiden. Bei Zwölfjährigen lächle ich halt, unterschreibe brav und schick' sie dann weg." In diesem Alter amüsieren sie ihn ja noch.

Mit den Fans pflegt er überhaupt unübliche Manieren. Erstaunliche sogar. "Da kommt eine, sagt, sie sei in der Vorstellung gewesen, und will mit mir quatschen. Ich bin offen für alles." Und der Meinungsaustausch betrifft--man höre und staune--die Arbeit. Ein anderesmal ist es ein junges, ambitioniertes Mädchen, Journalistin will sie werden. Und geübt wird mit Uwe. "Sie leitet einen Fanclub. Nach langem Kampf habe ich ihr die Nummer meines Handys gegeben. Mir gefiel ihre unverblümte Zielstrebigkeit."

Der fesche Mann hat ganz offensichtlich mit den Schattenseiten unserer Welt wenig zu tun. Selbst die geballten Vorstellungskalender, Trainingseinheiten, lästige Fans machen ihn nicht trübsinnig oder etwa griesgrämig. Und das hundertprozentig nicht.

Großes Fragezeichen? "Wenn ich einmal wirklich einen ganzen Tag abschalten könnte, bräuchte ich wahrscheinlich eine Woche, um wieder auf Touren zu kommen." Bleibt nur eine Schlußfolgerung: daß er nämlich in einem früheren Leben ein sagenhafter Faulpelz war. Und jetzt macht er's wieder gut: "Das Leben ist doch tierisch, oder? Sonst würde es ja keinen Spaß machen."

Der Clubtoast ist immer noch unberührt. Aber erst noch zum Thema Frauen: "Frauen haben diese Leichtigkeit des Seins. Sie trauen sich viel eher als Männer, etwas Neues zu probieren und dafür geradezustehen." Auf das machoide Gehabe mancher Männer und deren Komplexe verzichtet er lieber. "Die meisten Männer ersticken in ungesundem Selbstzweifel."

Uwe steht zu seiner Eitelkeit. Und fühlt im Sein nur Leichtigkeit. Hundertprozentige.


Zur HauptseiteZu den Presseartikeln

webmaster@eljen.net