Ein Tod zum Verlieben

Kaiserin Sissis heimlicher Liebhaber: Uwe Kröger als schöner Tod ist der neue Publikumsliebling im Theater an der Wien

Eigentlich ist es ja eine Love Story. "Elisabeth", das neue, welturaufgeführte Musical im Theater an der Wien, von den deutschen Kritikern hymnisch gelobt, von den österreichischen harsch gerupft, ist die Geschichte von der großen Liebe zwischen Sissi, der blutjungen bayrischen Prinzessin, und Seiner Majestät Franz Joseph, dem Kaiser von Österreich.

Dennoch wird in der ganzen zweieinhalbstündigen Aufführung nur zweimal geküßt. Und jedesmal stirbt jemand dabei. Denn es sind Todesküsse, vom Gevatter Tod persönlich verabreicht.

Vielleicht ist wirklich etwas dran an der literarisch oft beschriebenen, vielzitierten und -besungenen Todessehnsucht der Wiener, die sogar beim Heurigen Sterbelieder singen ("Stellts meine Roß' in Stall", "Verkaufts mei' G'wand, i fahr' in Himmel"). Jeden Abend, wenn im Theater an der Wien der Tod die Bühne betritt und mit seinem kalten Todeskuß zuerst Kronprinz Rudolf, danach Kaiserin Elisabeth ins Jenseits befördert, bricht im Zuschauerraum Jubel aus. Am liebsten würden sie "da capo" schreien. Das gleiche beim Verbeugen der Darsteller nach dem letzten Akt: Der Tod kriegt den meisten Applaus.

Möglicherweise liegt's an dieser angeblichen todesseligen k. u. k. Morbidität. Ganz gewiß aber liegt's im Fall "Elisabeth" am Tod selbst.

Denn Uwe Kröger ist ein Tod zum Verlieben. Jung, blond, bleich und schön, Haare wie frischgesponnene Seide, den grazilen Körper eines trainierten Tänzers und eine wohltönende Stimme, deren verführerische Erotik, wenn er um Seelen buhlt, gnadenlos in den eisigen Hauch des Todes umschlägt, sobald seine "Arbeit" getan ist: mit seinem todbringenden Kuß.

Uwe Kröger als Tod ist die eigentliche Hauptfigur im Musical "Elisabeth". Denn er--und nicht der junge Kaiser--ist, so will es Textautor Michael Kunze, Kaiserin Sissis heimliche Liebe. Nach ihm hat sich die Kaiserin, angeblich, ein Leben lang gesehnt. Er ist es, der im Stück Sissis Mörder Luigi Lucheni (großartig als Attentäter und diabolischer Conferencier: der Amerikaner Ethan Freeman) das Mordwerkzeug, die Feile, in die Hand drückt.

Wie dieser jugendliche Tod, ein schönes, androgynes Wesen, halb Mann, halb Frau, schattengleich über die Bühne turnt, tanzt und schwebt, hat auch die Kritiker beeindruckt.

"Der Tod ist der Beste" (Kronen Zeitung), "Der Tod spielt alle an die Wand" (Die Welt), "...Uwe Kröger, der nachvollziehbar macht, warum die Wiener den Tod so mögen" (Hannoversche Allgemeine Zeitung).

Ausgerechnet Uwe, ein deutscher Junge aus Hamm in Westfalen.

Kringeln könnte er sich vor Lachen über die makabren "Liebeserklärungen" seiner Fans: "'So einen schönen Tod wünsche ich mir auch'--das haben mir schon viele Leute gesagt."

Dabei hat Uwe privat so gar nichts Todesengelhaftes an sich. Ein sympathischer, unkomplizierter, fröhlicher junger Mann, der "in Wirklichkeit sehr lebendig ist. Ich liebe das Leben und die Menschen". Drei Jahre lang betreute Zivildiener Uwe als "Kunsttherapeut" in einer Jugendpsychiatrie verhaltensgestörte und suizidgefährdete Kinder, ehe er sein musisches Talent an einer Musicalschule in Berlin perfektionierte.

Mit Musicalrollen in "Les Misérables" (Wien, Amsterdam), "Starlight" (Bochum), "Jesus Christ Superstar" (Schwäbisch-Hall) erwarb er sich einen guten Branchennamen. Aus diesen Aufführungen stammt denn auch das einzige Exzentrische an ihm: die sorgsam gefönten und gesprayten langen Haare--Berufskleidung, sozusagen. Sie verleihen Uwe jenes erwünschte homoerotische Flair, das ihm auch als Sissis heimlichem Liebhaber, dem Tod, das gewisse verführerische Etwas gibt.

Daß der Tod in Wien so allgegenwärtig sei, habe er allerdings schon bei seinem ersten Wien-Engagement ("Les Misérables") gespürt ("Ein bißchen morbid--wie ein Museum") und auch gehört. "Man hat mir erzählt, daß Wien die Stadt mit der stärksten Erdanziehungskraft in Europa ist--vielleicht macht das die Menschen ein bißchen träg, zieht sie hinunter? Wien hat ja auch eine extrem hohe Selbstmordrate. Als ich das erstemal diese hohen, grauen Häuser sah, dachte ich: kein Wunder...."

Schmunzeln muß Uwe bei unserem ersten Interview-Treffpunkt, obwohl pietätvoller Ernst an diesem Ort angemessen wäre: Wir besuchen eine weltweit einzigartige Rarität, das "Bestattungsmuseum" in der Wiener Goldegasse.

Hier wacht Museumsreferent Heinz Riedel über die dem Wiener seit jeher wichtigen Accessoires für eine "schöne Leich". Hier gibt's Kostbarkeiten wie handgestickte alte "Bahrtücher", Skurrilitäten wie den "Rettungswecker für Scheintote" (eine am Handgelenk des Leichnams befestigte Schnur mit Alarmglocke), Absurditäten wie den "Josephinischen Sparsarg": einen wiederverwendbaren Klappsarg, der den in einen Sack gehüllten Toten mittels einer Art Falltüre ins Grab plumpsen ließ.

Ein anschließender Rundgang noch durch ein weiteres "gruftiges" Gustostückerl Wiens, den halbverfallenen, verwunschen-schönen St. Marxer Biedermeier-Friedhof, dann hat unser Star endgültig genug vom Thema Tod. Auf dem Rückweg ins Theater treffen wir Uwes Mutter, die eigens zur Premiere aus Westfalen kam und jetzt, zu Gast bei ihrem Jungen, zwei Wochen lang Wien besichtigt. Was sie sich denn heute Schönes angeguckt habe, will Uwe wissen.

Mama strahlt. "Die Kapuzinergruft".


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