Mein Interview: Der Tod kehrt zurück

Uwe Kröger kommt für kurze Zeit in seine Lieblingsstadt, um als Conférencier im Musical-Erfolg "Cabaret" aufzutreten.

Rainer Elstner, My Way, Dezember 1998/Jánner 1999

Auf der "Cabaret"-Bühne der Sofiensäle gab uns Uwe Kröger, der als Tod der Wiener "Elisabeth"-Produktion seinen ersten großen Erfolg gefeiert hat folgendes Interview.

Was bedeutet es organisatorisch, so zwischendurch eine Produktion einzuschieben?

Organisatorisch heißt es, dass die Verhandlungen dementsprechend waren. Ich musste einen Urlaub dafür einreichen. Ich nehme jetzt eine Woche Urlaub, um zu probieren, und ab 10. Dezember spiele ich hier montags bis donnerstags, setze mich freitags in den Flieger, um von Freitag bis Sonntagnachmittag "Die Schöne und das Biest" zu spielen. Das geht so bis 7. Jänner.

Und wieso nehmen Sie so viel Stress auf sich?

Es gibt bestimmte Sachen, die man einfach machen sollte. Es hat sich spontan ergeben. Ich habe mir diese Produktion angeschaut--ich habe viele Produktionen von "Cabaret" gesehen--, und sie hat mir sehr gut gefallen. Ich finde, die Sofiensäle haben genau das Flair, das dieses Stück braucht.

Sie haben in Wien große Erfolge gefeiert. Haben Sie noch eine sentimentale Beziehung zu dieser Stadt?

Eine? Tausende! Natürlich, ich liebe Wien, sonst würde ich das auch nicht machen. Ich liebe es auch, gerade in der Winterzeit in Wien zu sein. Ich bin aber auch ein Workaholic. Ich würde jetzt nicht nach Wien ziehen und dann nicht arbeiten.

Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre überblickt: In Wien hat so etwas wie ein deutschsprachiger Musical-Boom begonnen. Ist es jetzt für einen Darsteller--mit den neuen großen Bühnenproduktionen und Musicalbühnen in Deutschland--leichter, gute Rollen und interessante Angebote zu bekommen?

Kroeger als Conferencier Von der Auswahl her natürlich ja. Es gibt große Produktionen, es gibt sehr schöne Rollen, es werden Theater gebaut. Leichter ist es nicht, einen Job zu kriegen, ganz im Gegenteil. Da jede Produktion ganz streng überwacht und meist mit Originalleuten aus England oder Amerika gecastet wird, ist es nicht einfach, da reinzukommen. Ich musste auch für jede Rolle, die ich bisher gespielt habe, genauso wie jeder andere auch drei-, viermal vorsingen. Man muss sich immer wieder neu prostituieren, zeigen, dass man's kann oder nicht kann.

Können Sie sich noch an Ihre erste Audition erinnern?

Ich glaub, ich war so dämlich, so blöd. Ich hätte mich damals nicht gecastet. Ich war einfach nicht gut, war nervös und habe den Text vergessen. Das ist schon so wie in "A Chorus Line". Das Einzige, was man nicht ablegt, ist Nervosität oder diese Kritik an sich selbst, der Perfektionismus, den jeder Darsteller haben sollte und den ich ganz extrem habe, der mich dazu animiert, die Pobacken zusammenzukneifen und das Beste zu geben. Was natürlich voraussetzt, dass man eine bestimmte Souveränität hat, um für den Moment die Nervosität beiseite schieben zu können.

War es schon immer Ihr Berufswunsch, zur Bühne zu gehen?

Ich hab mein Abitur gemacht und wusste nicht genau, was ich machen sollte. Ich hab dann meinen Zivildienst geleistet in einer Jugendpsychiatrie und habe dann dort Blut geleckt, Freude daran gehabt, im psychologischen, therapeutischen Bereich: Als Musik- und Kunsttherapeut hat man mich bezeichnet, weil ich mit Rollenspielen und Instrumenten und Schauspiel Gruppentherapie betrieben habe. Der Wunsch, Musical-Darsteller zu werden, war nicht immer da. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen. Hätte ich meinem Vater gesagt: Hör mal, ich hab mir überlegt, ich werde eine Hupfdohle--wie er sich ausdrückte--, hätte er wahrscheinlich gesagt: Das kannst du in diesem Leben leider nicht mehr werden, weil wir dich schon verplant haben. Meine damalige Ballettlehrerin hat mich in Berlin für einen Studiengang angemeldet. Ich bin dort aufgenommen worden--von 600 Bewerbern haben sie sechs genommen. Und dann war's mir Wurscht, was mein Vater dachte.

Große Musical-Produktionen sind ja richtige En-suite-Monster. Welche Gefahren stellen sich da ein? Stumpft man ab?

Die Gefahr liegt darin, dass man die Schauspieler oder das Ensemble immer wieder erneut motivieren und sie daran erinnern muss, was für eine Geschichte man erzählt. Die Gefahr ist nicht die Routine--wenn man professionell ist. Ich bin Perfektionist, das beinhaltet, dass ich mit mir sehr kritisch umgehe.

Die richtigen Musical-Fans sind sehr fanatisch. Kennen Sie die Rekorde Ihrer Fans, wie oft sie in Vorstellungen mit Ihnen waren? Das soll ja in die Hunderte gehen...

Ich glaube, dass es in die Hunderte geht, das ist aber hauptsächlich Wien. Die Wiener Fans sind schon sehr speziell. Sie haben sehr gute Bedingungen, die Ticketpreise sind human, man kann sich für Stehplätze anstellen und kommt auf diese Wiese relativ günstig ins Theater. Eine Treue ist da--großes Kompliment und ein Dankeschön an die Musical-Fans, weil die kann man nicht manipulieren, die machen das aus freien Stücken. Wir haben ein reisefreudiges Musical-Publikum. Zum Teil trampen sie, arbeiten vorher bei irgendwelchen Fast-Food-Ketten, um sich das Geld dafür zu organisieren. Das bewundere ich.

In Ihrer Kurzbiografie ist "Schießen (Gewehr)" als eine Ihrer Fähigkeiten angeführt. Ist das ein Hobby?

Dass das ein Hobby ist, hab ich nie gesagt, das sind nur meine "special skills". Ich kann es eben. Mein Vater war passionierter Jäger, und ich hab relativ früh meinen Jagdschein machen müssen.

Sie sind auf die Pirsch mitgegangen?

Ja, obwohl ich dort nicht besonders gern gesehen war. "Papa, da war ein Reh!"--immer ganz laut. "Siehst du da hinten das Reh!" Da war das Reh weg, wunderbar. Ich hab's gehasst. Inzwischen geb ich ganz gerne an, tu ein bisschen imponieren, geh auf den Jahrmarkt und schieß ein paar Plastikrosen oder Teddybären. So ganz cool aus der Hüfte schieß ich da mal eben so. Wenn sie nicht verstellt sind, die Gewehre.

Haben Sie von der Komposition her ein Lieblingsmusical?

"Les Misérables", würde ich sagen. "Elisabeth" auch, aber Elisabeth ist immer so eine Sache, weil das ist ein Baby von mir.

wie oft passieren beim Musical so-genannte "Hoppalas"?

Ständig. Der meistgesagte Spruch am Theater ist: Wir spielen live. Es passieren tausend Sachen: Von Text vergessen und die anderen strafend anschauen, was denen einfällt, den Text zu vergessen, bis man realisiert, dass man ihn selber vergessen hat. Dass Kleidungsstücke kaputtgehen, dass man plötzlich in der Unterwäsche dasteht--zur Freude der Kollegen und des Publikums.

Was macht man dann?

Na, wenn man's merkt, wird man rot. Wenn man's nicht merkt, lacht das Publikum.


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